Hi Zooliners,
am Anfang war die Tat. Und Tom Elstner.
Es ist der 21. Oktober 2021. Es ist kalt. Ein typisch trüber Berliner Herbstabend. Doch wir sitzen trocken und warm. Im Berliner Freischwimmer, versammelt um einen runden Tisch, in großer Runde, ein Feuer im Kamin. Geladen haben wir Vertreter*innen der Weltreligionen, eine Katholikin, einen Buddhisten, einen Muslim, eine Hinduistin, einen Juden. In der Mitte des Tisches: die “böse Box”, gefüllt mit von Klischees und Stereotypen vollgeladenem Hate, den man ohne Schwierigkeiten in sozialen Netzwerken zum Thema Religion findet. Nicht gerade ein “easy conversation starter”, aber wir wollen herausfinden: Wie spannend ist es, diese Menschen an einem Tisch zusammenzubringen, sie mit dem, was Almänner und -frauen denken, zu konfrontieren und zu schauen, wie deep es wird? Das Ergebnis: ein Abend, von dem wir nicht wollen, das er endet. Es ist die tatsächliche Geburtsstunde von Against All Gods. Was Tom seid langer Zeit als fixe Idee in seinem Kopf hat (“Ey, Big Brother mit Religionen, das müssen wir machen!”), ist – den Beweis bringen wir an diesem Abend – eine geniale Idee.
Bis wir das unter Beweis stellen können, vergehen drei Jahre. (Die Produzent*innen unter euch werden hier nur müde mit den Schultern zucken. Wer 2024 versucht, einen Sender oder Streamer von einem Projekt zu überzeugen, muss enorme Ausdauer und Frustrationstoleranz mitbringen.) Oft werden wir nicht verstanden. Scheitern auf den letzten Metern. Ernüchterung macht sich breit. Woran wir glauben, ein Experiment mit großem Unterhaltungsfaktor und wichtiger Message zu der Frage, wie wir in einer pluralistischen, diversen Gesellschaft gut leben wollen, droht zu scheitern. Und als wir kurz davor sind, aufzugeben, klopft das ZDF bei uns an. Auf dem Festnetz.
Das Ergebnis: eine Staffel in sechs Folgen, produziert für die ZDF-Reihe 37° Leben, aufgezeichnet im Juni 2024 für eine Ausstrahlung im September desselben Jahres. Für eine Woche dürfen wir sechs Protagonist*innen – Vertreter*innen der Weltreligionen sowie eine atheistische Person – unter einem Dach, in einer Berliner WG, zusammenzubringen, um herauszufinden, was sie trennt und eint, und um die Frage zu beantworten, ob der Dialog der Religionen möglich ist. Die Idee: Wenn es diesen Menschen gelingt, in Frieden miteinander auf derart engem Raum und auch in Extremsituationen zusammenzuleben, dann muss es uns überall gelingen, Unterschiedlichkeiten in all ihren Facetten auszuhalten.
Die größte Herausforderung: unsere Protagonist*innen zu finden und ihnen ein Sendungskonzept auf die Leiber zu schreiben, das passt. In unserer schier unendlichen Ordnerstruktur findet sich eines unter vielen Dokumenten, das exakt 212 religiöse Institutionen auflistet, die wir (seien wir mal ehrlich: Aurelia) allesamt anschreiben. Hinzu kommen zahllose Profile in sozialen Netzwerken, die wir genauestens studieren. Und wir sind auch nicht zu oldschool, uns in der queeren Berliner Barszene umzuhören und Aushänge zu verteilen (hey, da gibt es immerhin Bier). Am Ende haben wir mit Omar, Gloria, Dharmasara, Josi, Sagitha und Lars (der ausfallbedingt wie ein Geschenk des Himmels erst sechs Tage vor Produktion (!) zu uns kommt) gefunden, was wir uns so gewünscht haben: ein perfect match. Doch das wissen sie selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Gedreht wird im schönsten Berliner WG-Loft, das wir uns vorstellen konnten, im beschaulichen Pankow, und mit einer Crew, die es in sich hat, an der Kamera angeführt von unserem angehenden Hollywood-Sternchen Johannes Obermaier und mit ganz viel Fempower. Vom Moment des Einzugs erleben wir auf den Regiemonitoren ein kleines Feuerwerk. Beim Check In am ersten Tag erkennen die Protas die zum Teil tiefen Gräben, die es zwischen ihnen gibt. Beanspruchen sie für sich, dass ihr Glaube der einzig richtige ist? Wie stehen sie zur queeren Community? Und bedauern sie Menschen, die nicht glauben? Mit Gäst*innen überraschen wir die Protas in den nächsten Tagen; so kommt Sabine Rückert, um anhand einem ihrer spektakulärsten True Crime-Fälle über die Mordsünde zu diskutieren, Maria Popov, um über Liebe, Sex und Partnerschaft zu sprechen, und Jürgen Trittin, um ein besonders brisantes Thema – Religion als vermeintlicher Kriegsanheizer und den Nahostkonflikt – auf den Tisch zu packen. Eine Tour durch Berlin offenbart Ausgrenzungserfahrungen, die unsere Protagonist*innen aufgrund ihres Glaubens und ihrer Identität machen mussten. Ein Besuch auf dem Friedhof gibt Aufschluss über die Überzeugungen der Protas, wenn es um das “Danach” geht. Julia, Omars Ehefrau, besucht die WG, denn wir glauben: Muslimische Frauen sind in der medialen Berichterstattung unterrepräsentiert – und wir wollen sie hören! Gemeinsam feiern die Protagonist*innen am Freitagabend den Schabbat – und Josi kürt diesen ohne große Umschweife zu ihrem liebsten religiösen Feiertag. Aufgefordert, die Küchen aus ihren unterschiedlichen Welten auf den Tisch zu bringen, gibt es an einem Abend vor allem eines: eine Menge Kartoffeln. Bei einer Runde “Never Have I Ever” offenbaren sich die Protas einander. Im Schrebergarten von Dharmasaras Eltern feiern sie die deutsche Nationalmannschaft beim zweiten Vorrundenspiel (danke, Andrea und Thomas!). Und weil wir überzeugt davon sind, dass wir alles Göttliche auf unserer Seite haben, trauen wir uns auch, sie bei einem Tandemsprung aus 4.000 Metern Höhe fallen zu lassen. Es sind viele große und ebenso kleine Momente, die dafür sorgen, dass wir uns in der gemeinsamen Woche im Regieraum vielsagende Blicke zuwerfen. Momente, die uns zum Lachen bringen – und zum Weinen. Und als die Protas nach sechs Tagen ihre Koffer packen und die WG verlassen, können wir zwar kaum noch auf den müden Beinen stehen, aber eigentlich wollen wir, dass das hier für immer bleibt.
Wir haben noch nie in unserem Leben derartige Überstunden abgerissen, aber das ist vor und während der Produktion als auch in den langen Nächten in der Post egal, denn: Wir sind ganz und gar davon überzeugt, dass wir mit Against All Gods unsere Vision umsetzen konnten und einen preisverdächtigen Wert geschaffen haben. Möglich wäre das nicht gewesen ohne das Geschenk, das unsere Protagonist*innen uns gemacht haben. Sie haben uns und unser Projekt verstanden. Sie haben sich getraut, dabei zu sein. Sie sind offen, authentisch und ehrlich aufeinander zugegangen. Sie haben uns ihr Vertrauen geschenkt. Und vor allem: Sie haben in uns Emotionen ausgelöst, von denen wir sehr hoffen, dass Zuschauende sie auch empfinden werden.
Möglich wäre Against All Gods außerdem nicht gewesen ohne eine herausragende Crew, die wir zwar mit einem Zuviel an Pizza gequält haben, aber die zu jeder Zeit zusammengehalten hat und mit der wir uns zu eintausend Prozent wohl und sicher fühlen konnten. Besonders hervorheben müssen wir hier Dennis Gross, unseren Filmtonmeister, denn einen wie ihn kann es kein zweites Mal geben. Und unseren Produktionsassistenten Bastian Simon-Weidner, denn es gibt keinen Mann auf diesem Planeten, der dir (ok, eigentlich wollen wir sagen: der Lars) derartig viele Wünsche von den Lippen abliest.
So, jetzt ist es Zeit, Against All Gods in die (deutschsprachige) Welt zu entsenden – in der Hoffnung, dass sich Menschen jeglicher Couleur in unserem Format wiederfinden, dass sie verstehen, was wir hiermit erreichen wollen und dass sie es einfach nur fühlen.
Ihr seid Dharmasara, ihr seid Gloria, ihr seid Lars, Omar, Sagitha und Josi. Friede sei mit euch!
Und: Nicht vergessen, reinzuschauen, und zwar hier.
Grüße on top, vom Zoo Kid On The Blog